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Gedanken zum Evangelium an Pfingsten

 

 

Aus dem Evangelium nach Johannes

Am Abend dieses ersten Tages der Woche, als die Jünger aus Furcht vor den Juden die Türen verschlossen hatten, kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch! Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite. Da freuten sich die Jünger, dass sie den Herrn sahen. Jesus sagte noch einmal zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sprach zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert.

(Joh 20,19-23)

 

Ein Geist gegen den Ungeist

Pfingsten - Fest des Heiligen Geistes! Wie sehr es auf den richtigen Geist ankommt, erleben wir in diesen Tagen. Der Ungeist grenzenlosen Gewinnstrebens hat zu einer weltweiten Krise geführt, deren Talsohle, so ist zu fürchten, noch längst nicht erreicht ist. Der Ungeist hasserfüllter Ideologien hat die Völker der Welt und besonders Europas in zwei sinnlose Weltkriege gestürzt, von denen sich Europa nur langsam erholt hat. Der Ungeist täglicher kleiner Lieblosigkeiten zerstört so manche Gemeinschaft, lässt Ehen und Freundschaften zerbrechen.

Pfingsten ist das Fest der Gegenbewegung. Statt Ungeist Heiliger Geist. Auf allen Ebenen, in allen Bereichen: in meinem eigenen Leben, in der Familie, der Gesellschaft, im Staat und in der Kirche. Der selige Papst Johannes XXIII berief vor 50 Jahren, 1959, das 2. Vatikanische Konzil ein. Er erhoffte sich davon "ein neues Pfingsten" für die Kirche. Vieles von seinem Traum wurde Wirklichkeit. Manche Erwartungen wurden enttäuscht. Die einen finden, es gebe "Reformstau", die Kirche habe sich zu wenig erneuert, sie sei viel zu "altmodisch". Anderen ging zu viel an Bewährtem im Reformeifer verloren. Ich glaube, der Heilige Geist führt die Kirche und jeden Einzelnen auf Wegen, die für uns oft ungewohnt, zum Teil auch schmerzlich sind. Nicht jede Begeisterung ist schon vom Heiligen Geist.  Und manche Enttäuschung kann auch eine Tür sein, durch die der Heilige Geist in unser Leben kommt.

Wie wirkt Er? Woran erkennen wir Ihn? Jesus sagt es heute: "Er wird euch in die ganze Wahrheit führen." Er ist "der Geist der Wahrheit". Der Ungeist ist ein Geist der Lüge. Lügen haben kurze Beine, sagt der Volksmund. Es tut weh, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen. Aber nur die Wahrheit befreit. Auf Lügen, Selbsttäuschung, Verblendung kann kein Glück gebaut werden.

In der heutigen Lesung aus dem Brief an die Galater (Kapitel 5) bietet der Heilige Paulus sozusagen zwei "Checklisten", an denen wir Ungeist von Geist unterscheiden können. Die erste Liste nennt er "die Werke des Fleisches" und meint damit die Haltungen und Handlungen, die vom Glück, vom Leben, von Gott wegführen. Sie lautet: "Unzucht, Unsittlichkeit, ausschweifendes Leben, Götzendienst, Zauberei, Feindschaften, Streit, Eifersucht, Jähzorn, Eigennutz, Spaltungen, Parteiungen, Neid, Missgunst, Trink- und Essgelage und Ähnliches mehr".

Die zweite Liste nennt der Apostel "die Frucht des Geistes". Alles, was er hier auflistet, führt zusammen und macht ein wirkliches Miteinander erst möglich. Er zählt neun dieser guten Früchte auf: "Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung".

Zwei Dinge sind mir klar: Die zweite Liste ist zweifellos erfreulicher als die erste. Lieber lebe ich mit Menschen, die nach der zweiten Liste leben. Aber klar ist auch, dass die Haltungen der zweiten Liste schwer zu erwerben sind. Die "Werke des Fleisches" kommen von selber, wenn wir uns gehen lassen. "Die Frucht des Geistes" muss erkämpft werden. Das "Fleisch" sagt: Lass dich gehen! Aber das ist Lüge. Der Geist sagt: Kämpfe für das Gute! Und das ist die Wahrheit. Jesus hat uns dafür den Geist gegeben. Seinen Geist. Damit wir Seinem Vorbild folgen können. Der Geist hilft dabei.

(Kardinal Christoph Schönborn)

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